VON BEAUTY ZU POLITIK – INTERVIEW MIT DER YOUTUBERIN JOANA ALIAS JHALEEZI
VON BEAUTY ZU POLITIK – INTERVIEW MIT DER YOUTUBERIN JOANA ALIAS JHALEEZI
5. Oktober 2020
Joana hat bei YouTube vor allem mit Beauty Content angefangen. Heute ist sie eine von mehreren Content Creator*innen des Instagram-Kanals Say My Name der BpB und spricht nun auch auf ihren privaten Kanälen über eigenen Rassismuserfahrungen und ihre Konversion zum Islam. Auf unserer Sommerakademie hat sie erklärt, wie sie damit umgeht, dafür auch mal angefeindet zu werden und welches Empowerment sie aus ihrem eigenen Content zieht.
Joana:Ich bin Joana. Auf YouTube und Instagram kennt man mich eventuell unter dem Namen Jhaleezi (früher CurlyJay). Ich habe vor sechs Jahren auf YouTube mit typischen Beautyvideos angefangen, aber schon damals war mir wichtig, für meine Community sichtbar zu sein. Damals als ich angefangen habe, gab es Videos zu Themen wie Makeup für dunkle Haut, Rassismus und generell Afro- und Lockenpflege, eigentlich nur im englischsprachigen YouTube-Raum. Ich wollte für meine Follower*innen aber sowas wie die große Schwester sein, die ich nicht hatte und ihnen Tipps zu diesen Themen geben. Im Laufe der Zeit, durch die Kommentare und natürlich auch mit dem Hate, ist mir aufgefallen, dass meine Videos in der Hinsicht vielleicht auch tiefgründiger gehen sollten. Gerade Rassismus beschäftigt mich extrem, weil ich auf dem Land im Allgäu wohne. Und natürlich spielt auch meine Konvertierung zum Islam eine große Rolle in meinem Leben. Dass sind Themen, die mich persönlich, tagtäglich beschäftigen und darum geht es auch in meinen Videos. Zu dieser Zeit ist dann das Projekt Say My Name von der Bundeszentrale für Politische Bildung auf mich aufmerksam geworden.
Wie bist du eigentlich auf YouTube gekommen? Und welchen Stellenwerkt hat das Internet generell in deinem Leben?
Früher war das Internet eher ein Spaßfaktor für mich. Ein Ort, an dem ich mit meinen Freunden abhing, um witzige Videos anzuschauen. Erst später habe ich es richtig für mich entdeckt. Ich lebe in einem kleinen Kaff, in dem es schwer ist Menschen mit den gleichen Interessen zu treffen. Heute nutze ich das Internet gerade deshalb so gerne, weil ich das Gefühl habe, connecten zu können und endlich nicht mehr so allein mit meinen politischen Überzeugungen zu sein.
Erinnerst du dich an das Video, zu dem du das erste Mal Hate bekommen hast?
Das krasseste Video, wo ich Hate bekommen habe, ist das Video, wo ich zum ersten Mal öffentlich über meine Konvertierung zum Islam gesprochen habe. Das hatte auch die meisten Aufrufe, wodurch sich dann die merkwürdigsten Menschen darunter tummelten, sodass ich das Video schließlich auf privat stellen musste, um mich selbst zu schützen. Der Gedanke, dass jemand seine Drohungen gegen mich wahr machen könnte lies mich nicht mehr los. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie hohe Wellen auch ein so kleiner Kanal, wie er damals noch war, schlagen kann. Durch dieses Video sind viele neue Leute auf mich aufmerksam geworden.
Wie gehst du mit dem Hass um? Gibt es etwas, dass du anderen gerne mitgeben würdest?
Man braucht auf jeden Fall ein dickes Fell und muss sich klar darüber sein, dass diese Menschen real so wahrscheinlich nicht mit einem reden würden. Man muss sich auch klar darüber sein, dass manche online eine Meinung vertreten, die nicht unbedingt der Maßstab sein sollte. Man selbst sollte versuchen bei sich zu bleiben und sich nicht beeinflussen lassen. Mir hilft auch einfach mal offline zu gehen, um mich zu sammeln.
Wie kamst du dazu über Rassismus zu sprechen?
Alles was ich über Rassismus wusste und dachte, war basierend auf meinen eigenen Erfahrungen. Ich habe mich lange Zeit alleine und sehr persönlich mit dem Thema Rassismus beschäftigt, weil ich keine Freund*innen hatte, mit denen ich darüber reden konnte, oder vielleicht auch nicht wollte. Durch das Projekt SayMyName habe ich gemerkt, dass sich auch andere Menschen für mich interessieren, auch Nicht-Betroffene, Menschen, die nicht BIPoC sind. Ich hatte vorher immer geglaubt, dass ich mit all dem allein war, weil ich die einzige Schwarze in meinem Umfeld bin. Bis dato hatte ich mich nur online zu solchen Themen geäußert und nicht den Mut gehabt, Dinge auch im privaten Leben auf persönlicher Ebene zu äußern. In meinem Umfeld werden mir meine Rassismuserfahrungen abgesprochen, das ist nun mal so. Als ich dann durch SayMyName zum ersten Mal mit anderen Betroffenen zusammenkam und meine Erfahrungen rechtfertigen wollte, wurde mir gesagt „Du musst dich nicht rechtfertigen. Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen ist real und es ist dein gutes Recht darüber zu reden.“ Das war ein Aha-Moment für mich. Seitdem bin ich total empowert und rede darüber mit jedem der es hören muss. Auch mein Freundeskreis hat sich seitdem geändert und ich fühle mich endlich gesehen. Man kann sagen, dass ich durch SayMyName meine Stimme gefunden habe.
Du hast bereits erzählt, dass du deinen Freundeskreis verändert hast. Was ist mit den Freund*innen, die du noch aus früheren Zeiten hast? Die, die nicht so sensibilisiert sind. Wie gehst du mit ihnen um?
Anfangs hatte ich keine Erwartungen an sie. Diese „Freunde“ haben sehr viel aus einer Beobachterperspektive miterlebt und waren immer Zeug*innen von meinen Rassismuserfahrungen. Ich wurde neben ihnen gemobbt und ausgegrenzt. Irgendwann hat es mir aber gereicht. Gerade, weil einige meiner Freund*innen große Influencer*innen sind und ihre Reichweite nie nutzen für solche Themen, und das obwohl sie so eng mit mir befreundet sind. Ich war sehr enttäuscht darüber, dass ohne mein direktes Hinweisen nichts von ihnen selbst kam. Ich habe dann eine Nachricht verfasst, in der ich ihnen meine Enttäuschung geschildert habe und natürlich haben sie daraufhin versucht sich zu erklären. Für mich ist das nur mittlerweile so, wenn ein/e Freund*in nicht den Mund aufmacht, in einer Zeit, in der du es nicht kannst, weil du zu schwach bist, dann ist es diese Person nicht wert. Gott sei Dank hat sich aber seitdem auch etwas geändert und eine meiner Freundinnen bildet sich zum Beispiel in diesem Themenfeld aktiv weiter und teilt das auch mit Ihrer Community.
Die deutsche YouTube-Landschaft gibt mir teilweise Bad Vibes. Wie war es für dich? Ab welchem Punkt hast du dich entschieden, dass du auch diesen politischen Content wiedergeben willst?
Ich war die erste in meinen Kreisen, die etwas hinsichtlich dieser Themen machen wollte und generell auch Gesicht gezeigt hat. Das ist ein Commitment, welches man eingeht, wenn man sich in diese Richtung entwickelt. Ja, mir ist bewusst, dass mein Content früher ein anderer war, aber ich bin verdammt stolz darauf, dass ich meine Reichweite, die ich durch „Palaver-Videos“ erreicht habe, mittlerweile dafür nutze solche Themen anzusprechen. Mir ist es viel lieber, wenn mein Gesicht vor einer Schlagzeile, wie „Antirassismus“ steht, als dass „was ist in meiner Tasche“ oder „Ich lackiere meine Nägel“ mein Markenzeichen ist. Ich bin sehr stolz auf meine Arbeit und meinen Content.
#empowerment #veranstaltung
- von JIK Redaktion
- am 5. Oktober 2020