Sich nicht trennen lassen
Sich nicht trennen lassen
20. Oktober 2021
Ein offener Brief von jüdischen und muslimischen Initiativen hat mich zum Nachdenken angeregt. In diesem Schreiben teilen sie der Öffentlichkeit mit, dass der Konflikt im Nahen Osten nicht das gemeinsame Zusammenleben von Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens zerstören darf. Wichtig sei, die jüdisch-muslimischen Beziehungen aufrecht zu erhalten, denn diese seien keine Selbstverständlichkeit.
Aus jeder Krise ergibt sich die Möglichkeit, die Beziehungen noch stärker zu machen. Eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Muslim*innen und Jüdinnen*Juden nützt nur wenigen Gruppen: Den rechten Antisemit*innen und Rasisst*innen.
Ich denke, dass Konflikte zwingend dazu genutzt werden müssen, sich nicht voneinander zu entfernen, sondern das Gegenteil zu tun. Denn: Jüdinnen*Juden und Muslim*innen sind Minderheiten, die von Diskriminierung, Rassismus und Vorurteilen betroffen sind. Unabhängig von der Herkunft und Vergangenheit dieser Phänomene steht eines fest: Beide Minderheiten fühlen sich bedroht und möchten ein Leben frei von Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus führen. Kann dies nicht als eine große Gemeinsamkeit gesehen werden?
Sollte man aufgrund dieser Gemeinsamkeiten die Kraft nicht bündeln? Es wäre doch viel aussagekräftiger, wenn muslimische und jüdische Vereine zusammen Angriffe auf Synagogen wie in Bonn oder Gelsenkirchen verurteilen und sich gleichzeitig dagegen aussprechen, dass Muslim*innen für die Geschehnisse im Nahen Osten verantwortlich gemacht werden. Dass das funktioniert, hat der offene Brief gezeigt.
Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus sollten von allen Seiten verurteilt werden. Antisemitismus schadet unserer Gesellschaft. Antimuslimischer Rassismus schadet unserer Gesellschaft. Kommt es nun wirklich darauf auf, was viel mehr schadet oder ob etwas weniger schädlich ist? Wer profitiert davon, dass Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens nicht miteinander friedlich leben und arbeiten? Es sind ohne Zweifel Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen. Denn genau dies bereitet für sie den Nährboden. Diese Zustände nutzen sie als Beweis dafür, dass ein demokratisches und friedliches Miteinander zwischen unterschiedlichen Menschengruppen nicht möglich ist. Über diesen Umstand sind nur sie glücklich.
Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen nutzen gezielt den vermeintlichen ‚muslimischen Antisemitismus‘, um von ihren eigenen Antisemitismus abzulenken. Lasst uns deswegen den Zusammenhalt dafür nutzen, um die rechte, antisemitische, rassistische Szene zu schwächen und sie nicht zu stärken. Jüdinnen und Juden und Muslime sollten sehr wohl in der Lage sein, über Uneinigkeiten sachlich zu diskutieren. Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen sollten die letzten sein, auf die wir hören.
Zum Schluss läuft alles auf den Spruch hinaus, welchen wir alle kennen: Gemeinsam ist man unschlagbar. Dann lasst uns gemeinsam sein.
Hinweis: Das Foto ist entstanden beim Jüdisch-Muslimischen Kiezabend im Herbst 2019 in Berlin, der von der JIK veranstaltet wurde.
#begegnung #solidarität
- von Enes Saydam
- am 20. Oktober 2021